Europäische Mittelstandspolitik
KMU als Rückgrat der europäischen Wirtschaft
Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind das Rückgrat der europäischen
Wirtschaft. Sie repräsentieren rund 99 % aller Unternehmen in der
EU und stellen mehr als 75 Millionen Arbeitsplätze bereit. KMU
sind als die Haupttriebfeder für Geschäftsideen, Innovation
und Beschäftigung in Europa anzusehen. Deshalb müssen für
sie die bestmöglichen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Insbesondere
wegen des Ziels von Lissabon, wonach die EU bis 2010 der wettbewerbsfähigste
und dynamischste wissensbasierte Wirtschaftsraum der Welt werden soll,
ist eine gezielte und spezielle Förderung von KMU erforderlich.
Europaweite Definition für KMU
Am 1. Januar 2005 wird eine neue Definition für die Einordnung
von kleinen und mittleren Unternehmen in Kraft treten, nach der Unternehmen
als kleine, mittelgroße oder mikro/kleinste Unternehmen zu bezeichnen,
wenn folgende Kriterien vorliegen:
KMU Kategorie |
Zahl der Mitarbeiter |
Umsatz |
oder Bilanzsumme |
Mittelgroß |
weniger als 250 |
Höchstens 50 Mio. € |
höchstens 43 Mio. € |
Klein |
weniger als 50 |
Höchstens 10 Mio. € |
höchstens 10 Mio. € |
Mikro/kleinst |
weniger als 10 |
Höchstens 2 Mio. € |
höchstens 2 Mio. € |
Zuständigkeit nationaler und europäischer Institutionen
Mittelstandspolitik liegt größtenteils in nationaler Zuständigkeit.
Deshalb ist es auf europäischer Ebene vor allem Aufgabe, Rahmenprogramme
zu entwerfen und die Entwicklungen zu beobachten. Aufgabe der Mitgliedstaaten
ist dann der Erlass konkreter Maßnahmen und z.B. die Anpassung
von Steuergesetzen oder die Vereinfachung bürokratischer Maßnahmen
zu beschließen.
Ziele der europäischen Mittelstandspolitik
Ziel der Förderung der KMU ist es, spezifische Probleme, die KMU
aufgrund ihrer Größe haben können, auszugleichen und
ihre Vorteile, wie zum Beispiel ihre Flexibilität zu fördern.
Schwerpunkte der europäischen Mittelstandspolitik sind daher:
- Schaffung mittelstandsfreundlicher Rahmenbedingungen
- Förderung unternehmerischer Initiative
- Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der KMU in der Informationsgesellschaft
- Erleichterung der Zugangsmöglichkeiten von KMU zu Finanzierungsquellen
- Bereitstellung von Unterstützungsnetzwerken insb. zur Nutzung
des Binnenmarktes
KMU-spezifische Themen - die hauptsächlichen
Probleme
Förderung des Unternehmergeistes
Die Diskrepanz zwischen der Zahl der BürgerInnen, für die
es in Frage kommt, ein Unternehmen zu gründen und der Zahl derjenigen,
die diesen Schritt tatsächlich gehen, ist zu groß. Hauptursache
sind häufig mangelnde Kenntnisse über die Möglichkeiten
für Existenzgründer.
Leichterer Zugang zu Finanzierungsmitteln
Ob Neugründung oder Erweiterung - Unternehmer benötigen finanzielle
Mittel, um wettbewerbsfähig zu bleiben, neue Technologien einzuführen
und zu expandieren. Eine der Hauptschwierigkeiten in Europa dabei ist
der Zugang zu Kapital. Je kleiner ein Unternehmen, desto gravierender
sind die Auswirkungen, wenn ein Darlehen versagt wird oder Kunden in
Zahlungsverzug geraten.
Leichterer Zugang zu Innovation
Technologietransfer- und Patentverfahren sind kompliziert und kostenintensiv.
Gleiches gilt für Fördergeldanträge für Forschungs-
und Entwicklungsvorhaben. KMU fehlen hierzu finanzielle und personelle
Kapazitäten, was ein Wettbewerbsnachteil für sie ist.
Verbesserungen bei Behörden und Verwaltung
Immer mehr Vorschriften und Verwaltungsverfahren erschweren den täglichen
Geschäftsbetrieb und beeinträchtigen die Wettbewerbsfähigkeit
der Unternehmen. Unternehmensgründungen sind langwierig und kompliziert;
die Betreuung durch Behörden ist mangelhaft und beim Erlass von
Gesetzen werden Auswirkungen auf KMU nicht ausreichend berücksichtigt.
Die Maßnahmen auf europäischer Ebene
Zur Erreichung dieser Ziele gibt es mehrere Maßnahmen - allen
voran die Europäische Charta für kleine Unternehmen, die vom
Europäischen Rat verabschiedet wurde. Aus diesen "Leitlinien"
der europäischen Mittelstandspolitik werden konkretere Pläne
von den europäischen Institutionen entwickelt.
Europäische Charta für kleine Unternehmen: ein Zehn-Punkte-Programm
Ziel der Charta ist, das Bewusstsein politischer Entscheidungsträger
auf jene Aspekte zu lenken, welche für die Entwicklung und den
Aufschwung von Kleinunternehmen von entscheidender Bedeutung sind. Die
Charta umfasst folgende 10 Aktionslinien:
1. Erziehung und Ausbildung zu unternehmerischer Initiative
Um den Unternehmergeist zu fördern, soll Grundwissen über
Unternehmen und Unternehmertum auf allen Bildungsebenen vermittelt werden
- in Schule, Hochschulen und Universitäten sowie mittels berufsbegleitender
Ausbildungsprogramme für Manager in Kleinunternehmen.
2. Billigere und schnellere Neugründungen
Lange, aufwändige und kostenintensive Anmeldungen von Unternehmen
sollen beseitigt werden.
3. Bessere Rechts- und Verwaltungsvorschriften
Neue nationale und gemeinschaftliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften
sollen auf ihre Auswirkungen auf KMU geprüft werden. Wenn bestehende
Rechtsvorschriften vereinfacht werden können, muss dies erfolgen.
Es soll überprüft werden, ob das Wettbewerbsrecht zu Gunsten
der KMU gelockert werden kann, indem Ausnahmevorschriften erlassen werden.
4. Verfügbarkeit von Fertigkeiten
Die Ausbildungsprogramme sollen sich nach der Nachfrage orientieren
und auf die Bedürfnisse der Kleinunternehmen abgestimmte Fertigkeiten
vermitteln.
5. Verbesserung des Online-Zugangs
Das Angebot der Staaten zur elektronischen Kommunikation mit KMU muss
verbessert werden, weil sie erhebliche Kosteneinsparungspotenziale für
KMU mit sich bringt und eine schnelle und unkomplizierte Beratung ermöglicht.
6. Bessere Nutzung des Binnenmarktes
Die laufenden Reformen der europäischen Wirtschaft müssen
weiter geführt werden mit dem Ziel eines für KMU benutzerfreundlichen
Binnenmarktes. Die bestehenden Wettbewerbsregeln zum Schutz der KMU
müssen strikt angewendet werden.
7. Steuer- und Finanzwesen
Die Steuersysteme sollen Leistung belohnen, Gründung von Unternehmen
begünstigen, das Wachstum von Unternehmen und die Beschäftigung
fördern. Entsprechende Änderungen müssen von den Mitgliedstaaten
vorgenommen werden. Außerdem muss der Zugang zu Finanzmitteln
für KMU verbessert werden. Hierzu müssen die Beziehungen zwischen
Banken und KMU so ausgestaltet werden, dass der Zugang zu Darlehen und
Risikokapital verbessert wird. Schließlich muss der Zugang zu
den Strukturfonds verbessert werden. Beides ist von europäischer
Ebene anzuschieben.
8. Stärkung des technologischen Potenzials der Kleinunternehmen
Die bestehenden Programme zur Förderung des Technologietransfers
werden auf Kleinunternehmen angepasst. Gleiches gilt für Qualitäts-
und Zertifizierungssysteme.
9. Modelle für den elektronischen Handel und erstklassige Unterstützung
für KMU
Zur Förderung des Umfeldes von KMU verpflichten sich Kommission
und Mitgliedstaaten, Informations- und Förderungssysteme zu schaffen.
Es soll Netze und Dienste geben, die auf die Bedürfnisse der KMU
zugeschnitten sind und EU-weiten Zugang zu Beratung und Unterstützung
seitens investitionswilligen Privatleuten gewährleisten.
10. Stärkere und effizientere Vertretung der KMU-Interessen
Kommission und Mitgliedstaaten verpflichten sich, die Interessenvertretung
durch verschiedene Aktions- und Mehrjahresprogramme auf EU- und Mitgliedstaatenebene
zu unterstützen.
Mehrjahresprogramme der EU
Zur Erreichung der Ziele der Charta hat die EU das "Mehrjahresprogramm
für Unternehmen und unternehmerische Initiativen, insbesondere
KMU (2001-2005)", beschlossen. Im Rahmen des Programms werden z.B.
Benchmarking-Maßnahmen zu verschiedenen Aspekten der Unternehmenspolitik
oder Finanzierungsinstrumenten gefördert. Weiteres Beispiel ist
der Aufbau des Netzwerkes der Euro Info Centren (s.u.). Ein entsprechendes
Nachfolgeprogramm für den Zeitraum von 2006 bis 2010 wird derzeit
von den europäischen Institutionen verabschiedet. Es wird im Vergleich
zum laufenden Programm zusätzlich die Aspekte die Industrie- und
Innovationspolitik berücksichtigen.
6. Forschungsrahmenprogramm
Um den Zugang für KMU zu Forschungsmitteln zu verbessern, hat die
EU in ihrem Forschungsprogramm spezifische Maßnahmen eingeführt,
die für KMU "maßgeschneidert" wurden. Dies war
und ist ein besonderes Anliegen der Sozialdemokraten im Europäischen
Parlament. Im derzeit laufenden 6. Forschungsrahmenprogramm (2002-2006)
wird deshalb eine Gesamtbeteiligung von KMU in der Größenordnung
von 15 % an allen Programmen angestrebt.
Aktionsplan BEST
Beispiele dieses Aktionsplans der Kommission, der seit 1999 in Kraft
ist und ebenfalls der Erreichung der in der Charta aufgenommenen Ziele
dient, sind die Vergabe eines Jungunternehmerpreises, die Einrichtung
eines sog. Business Education Network of Europe zur Förderung der
Vernetzung von auf Managementausbildung spezialisierten Einrichtungen
oder die Schaffung von Business-Angel-Netzwerken und Gesprächsrunden
zwischen Banken und KMU.
Euro-Info-Centren
Die Euro-Info-Centren (EIC) dienen als Anlaufstellen zur Information
der KMU über den europäischen Binnenmarkt. Es werden Fragen
zu Förderprogrammen der EU, Forschungsprojekten, Veranstaltungen
oder Publikationen beantwortet, aber auch mögliche Kooperationspartner
in den beteiligten Ländern gesucht. Ein EIC in Ihrer Nähe
finden Sie unter http://www.eic.de/eics/index.html